Mein fotografischer Ansatz zwischen Kunst und Natur lässt sich gut am Beispiel der "Insektoiden" erläutern. Für alle, die den Artisttalk am 17.8. in der Galerie Altes Rathaus im Rahmen des 3. Worpsweder Artfestivals verpasst haben.
Ich bin von Haus aus Wissenschaftler. Ein guter Wissenschaftler ist einerseits neugierig, offen, kreativ, interessiert, experimentiert, geht andererseits aber auch systematisch und beharrlich vor. Essentiell ist dabei Fragen zu stellen und die Untersuchung der Fragestellung möglichst "objektiv" (d.h. realistisch, unter Ausblendung von eigenen Ansichten) von allen möglichen und unmöglichen Seiten durchzuführen. Auch gegen den Strom wenn es sein muss. So habe ich auch jahrzehntelang (als Hobby) fotografiert: diese Fotografien waren überwiegend Abbildungen.
Richtig oder Falsch?
Irgendwann im Jahr 2018 begann sich diese Sichtweise weiterzuentwicklen. Vom Leben wach getreten bzw. von der Muse wach geküsst startete ich eine Reise und arbeite jetzt selbstbestimmt im Spannungsfeld zwischen Natur und Kunst. Die Werkreihe "Insektoiden" zeigt den Beginn der Wandlung hin zu einer künstlerischen (subjektiven, surrealistischen) Sichtweise. Dabei kann Vieles was einen guten Wissenschaftler ausmacht auch ein guter Künstler gebrauchen, wenn man neben dem Verstand (Gehirn) auch die Intuition (Bauch) und Emotion (Herz) zulässt. Beim Eintauchen in die Umwelt und Natur erforsche ich: Was ist in diesem Moment für mich das Interessante, Charakteristische (in diesem Beispiel an den im Wasser stehenden Büschen)? Wie wirken die Bilder auf die Betrachter? Welche Sichtweise ist richtig oder falsch? In dem Artikel "Im Reich der Insektoiden" habe ich damals schon darüber geschrieben.
Re-connecting mit der Natur
Die Natur erlebe ich überwiegend vor der Haustür, d.h. hier in Norddeutschland und Wasser als Quell des Lebens spielt oft eine zentrale Rolle. Wir Menschen entfremden uns jedoch immer weiter von der Natur, obwohl wir in ihr, mit ihr leben und ohne sie nicht überleben können. Diesen egozentrierten und anthropozentrischen Blick aufzubrechen, Verbindungen zur umgebenden Mitwelt wieder aufzubauen ist eine starke Motivation für meine künstlerische Fotografie als Prozess in der Natur. Fotografisch ist das eine Emanzipation von der naturalistischen (vermeintlich objektiven) Darstellung hin zur subjektiven (sur-realistischen). Oder anders formuliert: Ein wirklich gutes Bild ist für mich nicht nur Abbild sondern spiegelt zur Hälfte die Persönlichkeit und Emotionen des Fotografen.
Kunst ist ein Kommunikationsmittel
Dabei soll das fotografische Kunstwerk eine Skizze sein, die erst durch unsere Fantasie vollendet wird. Voraussetzung ist, dass das Motiv vom Fotografen auch emotional gesehen wird. Der Rest ist Handwerk. Technisch lässt sich die Aussage verstärken durch Weglassen, Anschneiden, Andeutungen in Spiegelungen, Versinken in Unschärfe, Überblendungen in Ebenen. Je leerer, rätselhafter und abstrakter, desto intensiver kann ein Foto sein. Desto länger ist das Gehirn des Betrachters aus dem Bekannten heraus beschäftigt etwas zu ergänzen und zu erschaffen. Je emotionaler die Botschaft, desto direkter ist eine Reaktion möglich: vom Auge ins Herz in die Hand fließend - ohne Umweg oder Blockade über das Gehirn.
Das Konzept der unkonventionellen, fluiden, dichten Hängung Dutzender Werke Dutzender Künstler in einem kleinen Ausstellungsraum ohne Titel und Namen wurde kontrovers diskutiert und verlangte von einigen bildenden Worpsweder Künstlern heftige über:windungen ab. Ziel erreicht! Die Werke selbst stehen im Mittelpunkt und laden untereinander und mit den Besuchern zur Interaktion ein. Täglich wird ein wenig experimentiert und umgehängt und Werke dürfen mit neuen Nachbarn kommunizieren.
Ich freue mich, dass die Gemeinde Worpswede dies u.a. in den Räumen der Galerie Altes Rathaus ermöglicht hat und danke den Organisatoren und Kuratoren des 3. Worpsweder Artfestivals Volker Schwennen (KW/Randlage) und Bhima Griem (Künstlerhäuser Worpswede).
Das 3. Worpsweder Artfestival unter dem Leitmotiv „über:windungen“ gab vom 29.07. bis 27.8.23 der zeitgenössischen Kunst einen festen Raum und brachte mehr als 30 Worpsweder Künstler:innen mit ebenso vielen externen Kunstschaffenden zusammen, um bestehende gegenseitige Vorurteile zu überwinden, sich weiterzuentwickeln und neue Ansätze kennenzulernen.
Auch bin in der Galerie Altes Rathaus in der Bergstrasse dabei. Am Donnerstag 17.08.23 um 15:00 Uhr gab es den Artisttalk zum Thema Kunst|Fotografie|Natur.
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