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Unter Spinnern, Spannern und Schwärmern

 

Eine laue Sommernacht bei Neumond irgendwo im Teufelsmoor. Aufgrund der fortschreitenden Dunkelheit haben sich jetzt auch die letzten Mücken schlafen gelegt. Es schnarrt der Ziegenmelker und Fledermäuse jagen im Dunkeln lautlos umher. Doch auf einer Lichtung am Waldrand leuchtet bläulich-hell ein Zelt. Da herum haben sich zahlreiche Spinner, Spanner, Schwärmer und andere Nachteulen versammelt.

 

Etwas abseits sitzt ein Mann, nur von einer gelblichen Funzel beleuchtet, an einem kleinen Campingtisch und betrachtet fasziniert etwas in einem Röhrchen in seiner Hand: "Oh, das ist ja interessant, Ourapteryx sambucaria, den habe ich hier seit vielen Jahren nicht mehr gesehen!"

 

Lichtfang

Der Schmetterlingsexperte Jürgen Röper ist wieder auf Lichtfang im Moor. Zur Erfassung und Bestimmung von Nachtfaltern ist der Lichtfang dazu die effektivste Methode.

 

Nachtfalter beginnen zu fliegen, wenn die Intensität des Tageslichtes unter einen bestimmten Wert sinkt. Ihre Augen sind darauf angepasst, das in der Nacht vorhandene Hintergrundlicht zu verstärken. Warum sie aber nachts künstliche Lichtquellen anfliegen, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Spekulationen dazu umfassen eine mögliche Blendwirkung oder Fehlorientierung. Entscheidend ist, dass Nachtfalteraugen UV-Rezeptoren besitzen und viele - nicht alle - daher insbesondere Kunstlicht mit einem entsprechenden UV-Spektrum anfliegen.

 

 

Nachtfalter werden auch von der Außenbeleuchtung an Straßen und Gebäuden angelockt. Insbesondere durch ihren Strahlungsanteil im UV-Spektrum werden jede Nacht die Nachtfalter aus der Umgebung angezogen. Sie werden so in ihrem natürlichen Verhalten gestört und ihre Reproduktionsraten gehen zurück. Hinzu kommen weitere negative Einflüsse, wie der kontinuierliche Rückgang geeigneter Habitate für Insekten und der zunehmende Einsatz von Pestiziden.

 

Im Laufe der Jahrzehnte hat auch Jürgen Röper einen dramatischen Rückgang der Masse an Faltern beobachtet. Dabei ist die gefundene Artenanzahl leicht abnehmend, einige Arten sind verschwunden, einige aus dem wärmeren Süden neu eingewandert.

 

Nachtfalter in Deutschland

Als Nachtfalter werden aufgrund ihrer nachtaktiven Lebensweise allgemein die Schmetterlinge bezeichnet, die nicht zu den Tagfaltern gehören (es gibt jedoch auch einige tagaktive Arten). In Deutschland gibt es rund 3700 Schmetterlingsarten, fast 95% davon sind Nachtfalter! Sie sind einerseits wichtige Bestäuber für viele Pflanzen und mit ihrem Saugrüssel an ganz spezielle Blütenformen angepasst, andererseits sind die Raupen oft von bestimmten Wirtspflanzen abhängig.

 

Zu den häufigsten Nachtfaltern in Deutschland bzw. Mitteleuropa gehören

  • die Eulenfalter (Noctuidae) oder Eulen, eine sehr artenreiche Familie mit 640 Arten,
  • die Spanner (Geometridae) mit etwa 430 Arten, deren Raupen sich ganz charakteristisch gekrümmt fortbewegen,
  • die schnell fliegenden Schwärmer (Sphingidae) mit ca. 20 Arten,
  • ungefähr 60 Arten Bärenspinner (Arctiidae) mit ihren stark behaarten Raupen
  • weitere Familien der Spinner, deren Raupen sich in einem Gespinst oder Kokon verpuppen,
  • sowie die zahlreichen Klein- und Kleinstschmetterlinge (Microlepidoptera), die oft als Motten bezeichnet werden.

 


Auswahl aus der Artenvielfalt einer Nacht

Reminiszenz an Darth Vader
Reminiszenz an Darth Vader
Dreizack-Graseule (Cerapteryx graminis)
Dreizack-Graseule (Cerapteryx graminis)
Ampfereule (Acronicta rumicis)
Ampfereule (Acronicta rumicis)
Rhombenspanner (Peribatodes rhomboidaria)
Rhombenspanner (Peribatodes rhomboidaria)

Grünes Blatt (Geometra papilionaria)
Grünes Blatt (Geometra papilionaria)
Schneeweißer Zahnspinner (Leucodonta bicoloria)
Schneeweißer Zahnspinner (Leucodonta bicoloria)
Grasglucke ♀ (Euthrix potatoria)
Grasglucke ♀ (Euthrix potatoria)
Birken-Gabelschwanz (Furcula bicuspis)
Birken-Gabelschwanz (Furcula bicuspis)

Gelber Fleckleibbär (Spilosoma lutea)
Gelber Fleckleibbär (Spilosoma lutea)
Birken-Gürtelpuppenspanner (Cyclophora albipunctata)
Birken-Gürtelpuppenspanner (Cyclophora albipunctata)
Buchen-Zahnspinner (Stauropus fagi)
Buchen-Zahnspinner (Stauropus fagi)
Kiefernschwärmer (Sphinx pinastri)
Kiefernschwärmer (Sphinx pinastri)

 Weit nach Mitternacht hat Jürgen mehr als 50 Arten bestimmt. Ein gutes Ergebnis für heute bei den optimalen Wetterbedingungen. Er baut den Leuchtturm ab, entlässt die Falter wieder in die Natur, packt alles zusammen in eine Schubkarre und marschiert nach Hause. Die Lichtung im Moor bleibt bis auf etwas platt getretenes Gras unberührt und verlassen in der Dunkelheit zurück - bis zum nächsten Mal im nächsten Monat.

 

Jürgen Röper ist seit über 50 Jahren bis heute dieser Insektengruppe verfallen. Im Dienste der Wissenschaft und des Naturschutzes erfasst er seit Jahrzehnten die Nachtfalter im Teufelsmoor. Dazu gehören auch Aktivitäten zur Wiederherstellung und zum Schutz der Moorgebiete als Insektenlebensräume vor seiner Haustür. Er gibt die Faszination und sein Wissen über diese kaum bekannten Schmetterlinge im Rahmen von Exkursionen gerne an Interessierte weiter. 1995 gründete er die NABU Ortsgruppe Hambergen neu, in der er auch heute noch federführend aktiv ist. 

 


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