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Mit Eseln reisen...

Eseltrekking? Wie kommt man auf die Idee im Urlaub tagelang mit Eseln zu wandern?

 

Erstens probiere ich bereitwillig Neues aus, gern auch gegen den Mainstream. Zweitens lockt die Aussicht auf ein entspanntes, entschleunigtes Wandern, ohne selbst belastendes Gepäck tragen zu müssen. Und drittens liegt die Herausforderung in der Luft, mit den als störrisch und dumm geltenden Tieren auszukommen. (Ich hatte aber schon herausgefunden, dass diese unterschätzten Tiere viel schlauer als Pferde sein sollen.) Drei gute Gründe für mich und Andrea im Frühjahr eine Woche Eseltrekking auszutesten – ein Mikroabenteuer in der Natur Kataloniens.

 

Wo die Pyrenäen im Mittelmeer enden, fängt das Abenteuer an!

Im Nordosten Spaniens nahe der französischen Grenze, in der katalanischen Region Alt Empordà liegt die Eselranch versteckt in einem Korkeichenhain. Hier bekamen wir eine gründliche Einführung und statt einem großen Esel zwei kleine Zwergesel zugewiesen – Bruc und Esperanza, da „die Esel zu zweit dann williger mitlaufen“. Auf unseren skeptischen Blick und die Frage, ob es denn keine Bedenken gäbe, uns Greenhorns und Fremden die Esel für eine Woche anzuvertrauen, hieß es nur trocken: „Ich habe Vertrauen in meine Esel“. Dann kann ja nichts schiefgehen!

 

Vier Esel beim Aufbruch zum großen Abenteuer...
Vier Esel beim Aufbruch zum großen Abenteuer...

Wandererfahrungen

Und es ging auch nichts schief – vorerst. Die Esel trugen unsere Packtaschen, ließen sich willig führen und so trotteten wir, unterbrochen von zeitweisen kleinen Pausen mit gutem Zureden, in entschleunigtem Tempo durch pittoreske katalanische Bergdörfchen wie Vilartolí, Espolla oder Rabós, durch Bäche, Olivenhaine und Weinfelder. Wir genossen die Wiesen mit blühendem Klatschmohn, den Duft von mediterranen Wildkräutern und Schopflavendel, von denen die Esel sich ab und an auch ein Maul voll gönnten.

 

 

Am zweiten Tag lehrten die Esel uns Demut und Geduld. Grundsätzlich waren sie sich immer einig: blieb einer stehen, dann auch der andere. Pausen mit kleinen Snacks am Wegrand gehen eigentlich immer, aber eine grooße Siesta von wenigstens einer Stunde muss zusätzlich sein – und nicht immer an dem Ort, den sich der Mensch vorher ausgeguckt hat… An unübersichtlichen Stellen, wo wir uns trotz GPS und Karten des optimalen Wegs nicht ganz sicher waren, geht erstmal gar nichts. Die Esel spüren sofort unsere Unsicherheit oder aufkommenden Stress und rühren sich mitten auf dem Weg nicht mehr vom Fleck, da hilft weder Gezerre noch besänftigendes Zureden. Schließlich macht es aus ihrer Sicht keinen Sinn, auch nur einen Schritt in eine eventuell falsche Richtung zu viel zu machen.

 

Die Esel zwischendurch zu tauschen hat nicht funktioniert. Andrea hatte am ersten Tag Bruc und ich Esperanza geführt, und wir dachten, wir können später mal wechseln. Aber die Esel, jeder mit seinem speziellen Charakter, hatten sich auf ihren jeweiligen menschlichen Partner eingestellt. Auch wir haben mit der Zeit unseren Esel immer besser verstanden, genau auf sein Verhalten geachtet, und uns angepasst, wenn wir einsehen mussten, dass die Entscheidung des Esels tatsächlich klüger war, als unser ursprünglicher Wille. Mit Gelassenheit und Harmonie, gelegentlich auch mit der Unterstützung freundlicher Katalanen, kamen wir immer weiter. So waren wir stets in guten Händen, bzw. Hufen.

 

 

Die Tage kamen und gingen mit morgendlichem Striegeln, Hufe auskratzen, aufsatteln der Packtaschen, loswandern in der grandiosen Natur, Eselzwiegesprächen, Siesta halten, Unterkunft aufsuchen, absatteln und Esel zur Nachtweide führen. Genossen haben wir auch die Übernachtungen in den abgelegenen Bergdörfern – oft in ausgezeichneten Cases Rurals, Jahrhunderte alt mit interessanten Besitzern – und die exquisite katalanische Kost. Am Ende der Woche sind wir glücklich und um viele Erfahrungen reicher am Mittelmeer angekommen. Es fiel schwer sich von unseren Eseln zu verabschieden, aber wir hatten noch zwei Tage Dali und Cap de Creus auf dem Zettel. Es war eine tolle Selbsterfahrung, ein den Horizont erweiterndes Erlebnis und ein unvergesslicher, inspirierender und erholsamer Urlaub!

 

Fotografie und Cyanotypie

Schon vor der Reise war mir bewusst, dass künstlerisches Fotografieren vermutlich eine Nebensache sein würde, wenn man den ganzen Tag mit den Eseln beschäftigt ist und abends todmüde ins Bett fällt. Außerdem ist das gesamte Reisegepäck ja auf die Tragekapazität der Esel begrenzt, denn wir wollten uns selbst nicht auch als Lastesel einsetzen. Deshalb hatte ich neben dem Smartphone nur meine Kamera mit einem Normalobjektiv und einem Weitwinkelobjektiv eingepackt. Obwohl ich anfangs gern noch ein Teleobjektiv zur Hand gehabt hätte, erwies sich diese Beschränkung – wie beim Gepäck – als richtig. Reisen ohne Ballast. Konzentration auf das Wesentliche.

 

Aber ich hatte etwas Neues vor und ein paar Blätter vorbereitetes Cyanotypiepapier eingepackt. Die Cyanotypie ist ein Mitte des 19. Jahrhunderts entwickeltes fotografisches Edeldruckverfahren. Ganz entspannt habe ich während der Mittagspausen damit experimentiert: Naturmaterialien trocken oder nass auflegen, die Komposition während eines Nickerchens einfach von der Sonne belichten lassen und dann mit Wasser entwickeln. So entsteht in den belichteten Partien des Papiers der wasserunlösliche Farbstoff Berliner Blau, die unbelichteten Partien bleiben wasserlöslich und werden ausgewaschen.

 

Beim Cyanotypieren in der Natur...
Beim Cyanotypieren in der Natur...
...erledigen alles die Sonne und das Wasser.
...erledigen alles die Sonne und das Wasser.

Nützliches und unnützes Eselwissen

Ursprünglich stammen Esel aus dem kargen, gebirgigen Afrika, wo diese Wildesel vom Aussterben bedroht sind. Vor vielen Tausend Jahren wurden die Esel domestiziert und diese Hausesel als Lastentiere genutzt, da sie viel länger als ein Pferd ohne Wasser und Nahrung auskommen. Ohne Schaden zu nehmen können Esel 20% ihres Eigengewichts tragen bzw. das Doppelte ziehen. Es bildeten sich mit der Zeit aufgrund geografischer und ökologischer Isolation sowie zweckorientierter Zucht diverse Rassen aus. Die meisten Esel sind heute jedoch wild gekreuzt und werden daher oft nach ihrer Größe unterschieden: Zwergesel, Hausesel und Großesel in verschiedenen Farben. Sie können über 40 Jahre alt werden.

 

Esel sind sehr soziale Tiere, die in Gruppen und Familienverbänden ohne eindeutige Rangordnung leben. Sie sind schwindelfrei, sehr aufmerksam und prüfen genau, wohin sie treten. Sind Esel in Gefahr, schätzen sie die Situation zunächst für sich ein und bleiben stehen, bevor sie reagieren.

 

Störrischer Esel 1936 in Berlin (Bundesarchiv Bild 183-S25043 / CC-BY-SA 3.0)
Störrischer Esel 1936 in Berlin (Bundesarchiv Bild 183-S25043 / CC-BY-SA 3.0)

Esel werden deshalb immer wieder beschuldigt stur zu sein. Dieser Irrglaube rührt daher, dass sie nicht jede Dummheit mitmachen, die wir von ihnen verlangen! Der Esel denkt selbstständig und unabhängig von anderen. Das der Esel „dumm“ sei, ist eine europäische Auffassung, im Orient galt und gilt der Esel im Gegenteil als besonders intelligent.

 

Übrigens: Bei den Bremer Stadtmusikanten ist es der Esel, der die Initiative ergreift und den anderen Tieren in dem Märchen eine Zukunftsperspektive aufzeigt mit dem Satz: „Etwas besseres als den Tod findest du überall.“

 

Impressionen aus der Region Alt Empordà

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